Auf ein Wort - Dezember 2016

Berlin erwartete für 2016 mehr als 50.000, vielleicht sogar 80.000 Zuzügler. Diese kommen, weil diese Stadt zurzeit einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, wie sie ihn über 100 Jahre nicht gekannt hat. Diese Menschen kommen, weil sie hier Arbeit finden, die es in den ländlichen Räumen und kleinen Städten vornehmlich in den ostdeutschen Regionen nicht gibt. Sie kommen mit ihren Familien, die genau wie viele zuziehende Singles in Berlin Wohnungen brauchen. Wenn dieser Zuzug in den nächsten Jahren anhält, sind wir bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 schnell 200 - 300.000 Menschen mehr in Berlin.

Wer für die Wohnbedürfnisse der zuziehenden und besonders der hier lebenden Berliner keine adäquaten Lösungen anbieten kann, vermittelt den Betroffenen das Gefühl ausgegrenzt und abgehängt zu werden. Abgehängt von einer gesellschaftlichen Entwicklung zugunsten derer, die im gemachten Nest sitzen, ihren persönlichen Profit optimieren und für die der Begriff Solidarität nur soweit eine Bedeutung hat, solange man davon profitieren kann. Wir dürfen uns deshalb nicht wundern, dass die wachsende Masse der sich abgehängt Fühlenden immer seltsamer erscheinende Wahlentscheidungen trifft (wie zuletzt in den USA).

Wir wundern uns auch nicht, dass die Rechtsform der Genossenschaft eine nicht gekannte Renaissance erlebt, weil viele vermuten, dass der Begriff Solidarität hier noch eine große Rolle spielt. Der Erwerb einer Mitgliedschaft verheißt gelebte Solidarität in einer großen Gemeinschaft. Daraus sind sie entstanden, davon profitieren die Mitglieder noch heute. Anders ist der rekordverdächtige Mitgliederzuwachs im abgelaufenen Jahr bei der „Freien Scholle“ nicht zu erklären. Doch wir müssen in Zukunft noch einiges auf die Beine stellen, um den Erwartungen der Mitglieder gerecht werden zu können. Vorschläge hierfür sind uns von allen Seiten herzlichst willkommen.

Dass die Nutzungsgebühr für den geplanten Neubau auf dem Purwin-Grundstück mit nettokalt 10 €/m² und vielleicht auch mehr im Vergleich zu den Wohnungen in den vorhandenen Beständen relativ hoch ist, liegt u. a. daran, dass wir unsere Eigenmittel, unser in das Projekt einzubringendes Eigenkapital, begrenzt sind. Das hat zur Folge, dass wir entsprechend mehr Darlehen aufnehmen müssen. Diese sind zurzeit zwar schon extrem günstig zu bekommen, sind aber dennoch nicht ganz ohne Zinsen. Selbst bei niedrigen Zinsen könnten wir mit 100.000 € mehr Eigenmitteln die Nutzungsgebühren um ca. 10 Ct./m² senken.

Hier kann sich die viel gepriesene genossenschaftliche Solidarität bewähren. Wenn jeder unserer Nutzer, also jedes mit Wohnraum versorgte Mitglied der "Freien Scholle", einen weiteren, freiwilligen Anteil zeichnen würde, kämen voraussichtlich 750.000 € zusammen und wir könnten die Nutzungsgebühren für die neuen Wohnungen um rd. 75 Ct./m² Wohnfläche monatlich senken.

Für den Betrag eines freiwilligen Anteils bekommen Sie bei Ihrer Bank momentan Zinsen im nicht nennenswerten Promillebereich. Bei uns müssen Sie sich über eine Dividende keine Gedanken machen, bekommen unter bestimmten Bedingungen aber die staatlich geförderte Wohnungsbauprämie und können einen genossenschaftlichen Solidarbeitrag für andere Baugenossen leisten.

Ich bin mit Wohnraum anderweitig bestens versorgt. Dennoch, ich bin dabei, aus Solidarität!

 


im Dezember 2016